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Was ist Psychotherapie?

Hier erfahren Sie, was Psychotherapie überhaupt bedeutet, wie sie sich entwickelte, welche Richtungen der Psychotherapie es gibt, wann und wobei Ihnen Psychotherapie  helfen kann. 

Psychotherapie - eine Definition

Ich formuliere es so:

Es geht in der Psychotherapie um unsere Seele. Es geht nicht um den Glauben an etwas Übernatürliches oder gar Ideen religiösen Ursprungs. Es geht um Gefühle und Bedürfnisse, die in uns sind — die wir mal mehr mal weniger stark spüren und denen wir mal mehr mal weniger Beachtung schenken. Und so, wie der Körper sich meldet, wenn er Zuwendung benötigt, so meldet sich unsere Seele auf ihre eigene Art. Stellen wir fest, dass der Schnitt in der Haut zu tief ist, um einfach nur ein Pflaster darauf zu kleben, suchen wir Hilfe - die Medizin. 

Und ist die Wunde in der Seele zu tief, tiefer als vielleicht gedacht, erdrückend, schmerzhaft oder überfordernd und sind unsere Gedanken und Gefühle verworren, angst-machend oder traurig-machend, dann gibt es auch hier Hilfe: die Psychotherapie.

Psychotherapie - eine Geschichte

Ich komme an dieser Stelle nicht darum herum mein Altgriechisch-Studium und die Liebe zu der Sprache einfließen zu lassen - bitte um Nachsicht :-) 

πσυχή (sprich: Psyche = Atem, Hauch, Seele)

θεραπεία (sprich Therapeia = Behandlung, Heilung)

θεραπεύειν (sprich: therapeuein = pflegen, sorgen, behandeln) 

 

Und tatsächlich beschäftigten sich bereits die alten Griechen intensiv mit der Seele. Das Zusammenspiel von Körper und Seele war für sie selbstverständlich. Beispielsweise war die Behandlung des Körpers ohne das gleichzeitige Betrachten des seelischen Wohlbefindens undenkbar. 

 

Nach der Antike wurden über einen langen Zeitraum hinweg,  psychologischen Phänomenen und ihren Auswirkungen kaum Beachtung geschenkt, zumindest in Europa. Teilweise wurde lediglich versucht, die Regungen der Psyche vor allem physiologisch, also durch die Betrachtung des Körpers zu erklären und zu behandeln.

Die erste Behandlung mit Blick rein auf die Psyche begründete Sigmund Freud mit seiner sogenannten Psychoanalyse. Fast zeitgleich entstand in Amerika der Behaviorismus, der Ursprung der Verhaltenstherapie. Im weiteren Verlauf wurden psychologische Phänomene beziehungsweise seelische Leiden aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und Methoden zur Behandlung weiterentwickelt. Es entstanden die vielen Richtungen, die sogenannten "Schulen" (ja, stimmt, wie bei Delfinen, nur dass wir nicht unter Wasser leben) innerhalb der Psychotherapie. 

Psychotherapie - die Schulen

Allen Therapierichtungen ist gemein, dass sie dem österreichischen Therapiegesetz unterliegen. In diesem Gesetz sind zum Beispiel die Ausbildungsrichtlinien und die Verschwiegenheitspflicht festgehalten. Für Therapeut:innen aller Schulen gilt außerdem der Berufskodex.

Tiefenpsychologische Ansätze

 

Diese tiefenpsychologischen Ansätze zielen darauf ab, unbewusste Gedanken, Gefühle und Motivationen zu erkunden, die das Verhalten und die Emotionen eines Individuums beeinflussen können. Die Verfahren sind in der Regeln vergangenheitsorientiert (Kindheit, Elternhaus). Die Tiefenpsychologie wurde von Sigmund Freud und seinen Schülern entwickelt und hat im Laufe der Zeit verschiedene Strömungen und Schulen hervorgebracht. Hier sind einige der prominenten tiefenpsychologischen Verfahren:

  •     Psychoanalyse: Die Psychoanalyse ist der Ursprung der Tiefenpsychologie und wurde von Sigmund Freud entwickelt. Sie legt großen Wert auf das Unbewusste und betont die Bedeutung von Träumen, Freudsche Versprecher und Fehlleistungen als Fenster in die verborgenen Aspekte der Psyche. Die Beziehung zwischen Therapeut:innen und Klient:innen ist von besonderer Bedeutung. Ebenso wird die Methode der freien Assoziation verwendet, um unbewusste Konflikte zu erkunden.

  •     Analytische Psychologie (Jungianische Psychoanalyse): Dieser Ansatz wurde von Carl Gustav Jung entwickelt. Die jungianische Psychoanalyse betont die Idee des kollektiven Unbewussten und archetypischer Symbole. Sie zielt darauf ab, die individuelle Psyche im Kontext der gesamten menschlichen Erfahrung zu verstehen. Träume, Fantasien und kreative Ausdrucksformen spielen eine wichtige Rolle.

  •     Selbstpsychologie: Diese Herangehensweise, die von Heinz Kohut entwickelt wurde, konzentriert sich auf die Entwicklung des Selbstgefühls. Selbstpsychologie betont die Bedeutung der Bedürfnisse nach Anerkennung, Empathie und Spiegelung in der Kindheit für die Entwicklung eines gesunden Selbstkonzepts.

  •     Relationale Psychoanalyse: Dies ist eine modernere Strömung der Tiefenpsychologie, die den Fokus auf die therapeutische Beziehung und die Interaktion zwischen Therapeut:innen und Klient:innen legt. Sie betont die Bedeutung des gegenwärtigen Momentes in der Therapie und wie Beziehungsdynamiken in der Vergangenheit und Gegenwart das Verhalten beeinflussen.

Die Verhaltenstherapie 

Hier sind die Schlüsselmerkmale der Verhaltenstherapie:

  •     Fokus auf das Hier und Jetzt: Verhaltenstherapie konzentriert sich stark auf aktuelle Probleme und Symptome. Der Schwerpunkt liegt darauf, wie bestimmte Denk- und Verhaltensmuster gegenwärtige Schwierigkeiten beeinflussen.

  •     Veränderung von Verhalten und Denkmustern: Ein Hauptziel der Verhaltenstherapie ist es, destruktive Verhaltensweisen zu identifizieren und zu ändern. Dies geschieht durch die Analyse von Verhaltensmustern, die zur Aufrechterhaltung von Problemen beitragen, und durch die Einführung gesunder Verhaltensalternativen.

  •     Unbewusste Gefühle und Emotionen bewusst machen, benennen, verstehen lernen, zulassen und verarbeiten. 

  •     Kollaborative Herangehensweise: In der Verhaltenstherapie arbeitet der:die Therapeut:in eng mit dem Klienten zusammen, um gemeinsam realistische Ziele zu setzen und an konkreten Lösungen zu arbeiten.

  •     Verwendung von Techniken: Die Verhaltenstherapie verwendet verschiedene Techniken, um Verhaltensänderungen zu fördern. Beispiele für Techniken sind die kognitive Umstrukturierung (Veränderung ungünstiger Denkmuster), Expositionstherapie (sich schrittweise den Ängsten stellen), Imaginations-und Stuhltechniken für Gefühle erleben und klären, und Entspannungsübungen.

  •     Selbstständiges Üben: Ein wichtiger Aspekt der Verhaltenstherapie können Übungen/Anregungen sein, die zwischen den Sitzungen durchführt/ausprobiert werden, um das Erlernte in den Alltag zu integrieren und Fortschritte zu unterstützen.

  •     Messbare Fortschritte: Die Verhaltenstherapie legt Wert auf messbare Ergebnisse. Therapeut:innen verwenden oft Bewertungsskalen und Fragebögen, um den Fortschritt des Klienten zu verfolgen und eventuell Anpassungen vorzunehmen.

  •     Anwendbarkeit auf verschiedene Störungen: Die Verhaltenstherapie kann auf eine Vielzahl von psychischen Gesundheitsproblemen angewendet werden. Die Techniken können je nach Diagnose und individuellen Bedürfnissen angepasst werden.

  •     Zeitlich begrenzte Behandlung: Die Verhaltenstherapie ist in der Regel zeitlich begrenzt. Die Anzahl der Sitzungen kann variieren, aber das Ziel ist es, konkrete Ziele in einem bestimmten Zeitrahmen zu erreichen.

Die Verhaltenstherapie ist eine gut etablierte Form der Psychotherapie und hat sich als effektiv bei der Bewältigung einer Vielzahl von psychischen Gesundheitsproblemen erwiesen. 

Systemische Familientherapie

 

Die systemische Familientherapie ist ein psychotherapeutischer Ansatz, der auf der Grundlage von Systemtheorie und Systemdenken entwickelt wurde. Sie konzentriert sich darauf, nicht nur das Individuum als isolierte Einheit zu betrachten, sondern auch die dynamischen Interaktionen und Beziehungen innerhalb einer Familie oder eines sozialen Systems zu berücksichtigen.

Hier sind einige Schlüsselkonzepte der systemischen Familientherapie:

  •     Systemisches Denken: Diese Therapieform betrachtet Familien und soziale Systeme als komplexe Netzwerke von Beziehungen, in denen jedes Mitglied auf die anderen wirkt und von ihnen beeinflusst wird. Veränderungen in einem Teil des Systems können Veränderungen in anderen Teilen hervorrufen.

  •     Zirkularer Ansatz: Die systemische Familientherapie verwendet zirkuläre Fragen, um Beziehungsmuster und Interaktionen zu erforschen. Anstatt nur eine einzelne Perspektive zu betrachten, werden verschiedene Standpunkte miteinander in Beziehung gesetzt.

  •     Feedbackschleifen: Therapeut:innen verwenden Feedbackschleifen, um Muster und Dynamiken in der Familie sichtbar zu machen. Diese Rückmeldungen helfen dabei, Konflikte, Missverständnisse und negative Muster zu erkennen.

  •     Kommunikation: Die Art und Weise, wie Familienmitglieder miteinander kommunizieren, steht im Mittelpunkt. Probleme können oft auf Kommunikationsstörungen zurückgeführt werden, und die Therapie zielt darauf ab, effektive Kommunikationsmuster zu fördern.

  •     Stärkung der Ressourcen: Statt sich nur auf Defizite oder Probleme zu konzentrieren, konzentriert sich die systemische Familientherapie auf die Stärken und Ressourcen innerhalb der Familie oder des Systems.

  •     Hierarchie und Rollen: Hierarchien und Rollen innerhalb der Familie werden untersucht, um mögliche Machtungleichgewichte oder Konflikte zu identifizieren.

  •     Veränderung als Prozess: Veränderungen in der Familie werden als kontinuierlicher Prozess betrachtet. Therapieziele werden gemeinsam mit der Familie festgelegt, um Veränderungen nachhaltig und akzeptabel zu gestalten.

Humanistische Ansätze

Humanistische Ansätze in der Psychotherapie betonen das individuelle Potenzial, die persönliche Entwicklung und die Selbstverwirklichung des Menschen. Diese Ansätze setzen den Fokus auf das Hier und Jetzt, die Beziehung zwischen Therapeut:innen und Klient:innen sowie die Förderung des Wachstums und der Selbstbestimmung des Klienten. Hier sind einige der wichtigsten humanistischen Ansätze:

  •     Personenzentrierte Psychotherapie (Klientenzentrierte Therapie): Diese von Carl Rogers entwickelte Therapieform betont die Bedeutung einer unterstützenden und wertschätzenden Beziehung zwischen Therapeut:innen und Klient:innen. Sie legt den Schwerpunkt darauf, dass der:die Klient:in seine:Ihre eigenen Ressourcen entdeckt und sein:ihr volles Potenzial entfaltet. Einfühlsames Verstehen, bedingungslose Wertschätzung und Authentizität seitens des Therapeut:innen sind zentrale Prinzipien.

  •     Gestalttherapie: Die Gestalttherapie, entwickelt von Fritz Perls, betont die Integration von Gedanken, Emotionen und Verhalten im gegenwärtigen Moment. Der:die Klient:in wird ermutigt, sich bewusst zu werden und Verantwortung für sein eigenes Verhalten und seine Gefühle zu übernehmen. Kreative Techniken wie Rollenspiele und leere Stühle werden oft verwendet, um ungelöste Konflikte zu erforschen.

  •     Existenzialistische Psychotherapie: Diese Ansätze, darunter Viktor Frankls Logotherapie und Rollo Mays Ansätze, konzentrieren sich auf Fragen der Existenz, Bedeutung und Verantwortung im Leben. Sie ermutigen den:die Klienti:innen, die individuelle Verantwortung für seine Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen und seine eigenen Werte zu definieren.

  •     Transpersonale Psychotherapie: Diese relativ neue Strömung integriert spirituelle und transzendente Aspekte in die Psychotherapie. Sie zielt darauf ab, das Bewusstsein des:der Klient:innen über das Selbst hinaus zu erweitern und spirituelle oder transpersonale Erfahrungen zu integrieren.

  •     Positive Psychologie: Obwohl nicht ausschließlich ein therapeutischer Ansatz, betont die Positive Psychologie die Stärken, Ressourcen und positiven Aspekte des Menschen. Sie konzentriert sich darauf, Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und individuelle Fähigkeiten zu fördern.

Psychotherapie - Für mich?

Zur Beantwortung der Frage, ob Psychotherapie etwas für mich ist und mir helfen kann, übernehme und zitiere ich hier die Darstellung und Formulierung von MMag. DDr. Sci. Med. Beatrix Breit-Gabauer. Eine meiner Mentor:innen auf dem Weg der Psychotherapie. 

 

Psychotherapie hilft,

  • wenn die Sonne nicht mehr scheinen mag

  • wenn sie manchmal viel zu stark scheint

  • wenn der Beruf überfordert

  • wenn der Hunger zu groß ist

  • wenn man geliebte Menschen verliert

  • wenn Erbrechen das schlechte Gewissen beruhigt

  • wenn die Lust zur Nahrungsaufnahme immer kleiner wird

  • wenn die Krankheitsdiagnose ausweglos erscheint

  • wenn die Außenseiterrolle und die Einsamkeit unerträglich werden

  • wenn Angst lähmt und Panik den Alltag einschränkt

  • wenn Zwänge und Rituale den Tagesablauf einschränken

  • wenn Tränen nicht versiegen wollen und das freudige Ereignis ertränken

  • wenn der Schlaf nicht kommen will oder die Entspannung fehlt

  • wenn es schwierig ist, Kontakte zu knüpfen und die Isolation immer größer wird

  • wenn die Partnerschaft keine Bereicherung ist und Beziehungen neu gestaltet werden sollen

  • wenn Probleme mit den Kindern bewältigt werden müssen

  • wenn Gefühle wie Ärger, Wut, Traurigkeit, Scham, Schuld, Verzweiflung oder Angst überwiegen

  • Zugang zu den eigenen Ressourcen finden und neue Stärken und Sichtweisen entwickeln

 

Wundervoll oder?

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